Neue Regeln braucht das (Fahrrad-)Land

(c) Daniel Köhler Photography

von Robert Strehler

Was wissen wir mit Blick auf die Pariser Klimaziele? Wir wissen, dass wir nach wie vor eine große und schwierige Aufgabe vor uns haben. Wir wissen, dass wir die Ziele nur mit einem ambitionierten Umdenken in wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Sektoren erreichen können. Und wir in Deutschland wissen, dass es mit unserer bisherigen Herangehensweise nicht klappen wird. Wir brauchen einen neuen Plan. Nur welchen? Klar, wir brauchen das Rad nicht neu zu erfinden – andere Städte und Kommunen, deutschlandweit aber auch international, haben es vorgemacht. An dieser Stelle schielen wir wieder nach Paris. Doch viel zu oft führt die Betrachtung ihrer Ideen und Best-Practices bei uns scheinbar unvermeidlich zu der Erkenntnis: Das wird bei uns so nichts – oder würde zu lange dauern. Wir sind Meister*innen darin geworden, Gründe zu finden, warum Dinge nicht gehen oder unmöglich sind. Jetzt könnte man streiten, ob es an den (nicht-)handelnden Personen liegt, an der überbürokratisierten Verwaltung oder der mangelnden Bereitschaft der Verkehrsteilnehmenden? Aber davon bekommen wir auch nicht mehr Tempo in die generelle Debatte…

Eines kann man hierzulande getrost von sich behaupten – es mangelt uns nicht an Vorschriften und Regularien. Was manch einer vielleicht als Überregulierung und Ausdruck der deutschen Humorlosigkeit auslegen würde, könnte uns doch als wichtiges Instrumentarium dienen: Eine unserer Stärken ist es doch, tiefgreifende Veränderungen durch Gesetze herbeizuführen, die so formuliert sind, dass sie den Alltag klar regeln können. Warum können wir das nicht auf den Verkehr anwenden und die viel beschworene Verkehrswende einfach per Gesetz herbeiführen? In Deutschland gibt es ca. 78 Millionen Fahrräder – Tendenz steigend. Auch was die Nutzung angeht, erlebt das Fahrrad seit vielen Jahren einen Aufwärtstrend – zumindest geht das aus den Zahlen des statistischen Bundesamtes hervor. Fast jede*r hat ein Fahrrad und immer mehr Menschen wollen auch damit fahren. Mit der Straßenverkehrsordnung besitzen wir ein unglaublich mächtiges Instrument, um dieses hohe Radverkehrs-Aufkommen in den bisherigen Verkehr einregeln zu können. Es gibt sogar schon richtig gute neue Regelungen:

Die wenigsten werden wissen, dass es in einer Stadt zum Beispiel jetzt schon möglich ist, Lastenrad-Parkplätze zu markieren. Gesetzlich verankert ist auch, dass Fahrzeuge über 3,5 t innerorts nur noch mit Schrittgeschwindigkeit abbiegen dürfen. Es gibt sogar ein Verkehrsschild, welches untersagt, Fahrräder zu überholen. So ein Schild in einer vorhandenen Fahrradstraße – das wäre doch was! Derartige Maßnahmen zur Stärkung des Radverkehrs gibt es tatsächlich gar nicht so wenige. Warum das Mobilitätskonzept also nicht per Gesetz bindend in unseren Alltag integrieren, statt hilflos am Straßenrand zu stehen und zu warten, dass sich jemand daran hält? Es muss also nicht nur geplant, gebaut und markiert, sondern auch das Regelwerk angepasst werden. Eine Frage bleibt aber: Sind wir überhaupt als Bevölkerung bereit und mutig genug Entscheidungen zugunsten einer Verkehrs- und Klimawende mitzutragen und, was würde passieren, wenn wir ein solches Signal an unsere Behörden und Ämter schicken? Wir fordern zurecht politische Willensstärke und Handlungsfähigkeit bei der Umsetzung. Nur ist unsere Bereitschaft, sie dann auch mit Leben zu füllen da? Mit der angeordneten Neugestaltung des Dittrichrings wurde zumindest ein echter Schritt an einer streitbaren Stelle gemacht. Den Gegenwind müssen wir aushalten und die Stadt für die richtigen Rahmenbedingungen sorgen – dazu könnten die passenden Regeln und eine angepasste StVo ihren Beitrag leisten. Eine Verkehrswende ist schließlich ein Prozess und erfordert Mut und Geduld von allen Beteiligten.