Kolumne: Heute oder Morgen

Neulich saß ich staunend über einer Reportage auf einem öffentlich-rechtlichen Kanal. Das Thema war: „Welches Verkehrs- mittel produziert das geringste CO2? Das Auto, das Flugzeug, der Bus oder gar das Fahrrad?“ Die Dar- stellung mag das eine sein aber die vermittelte Erkenntnis? Wir leben im 21. Jahrhundert und sollten unlängst begriffen haben, dass die Stunde Null, im Sinne der Emission, geschlagen hat. Aber trotzdem hat das noch nicht jeder begriffen. Fangen wir bei der Basis an. Ein Fahrrad ist heutzutage gebraucht teilweise ab 20 Euro zu erwerben. Mit etwas Glück ist es auch für diesen kleinen Betrag fahrbereit, sodass du friedlich auf so ziemlich allen Wegen radeln kannst – natürlich nicht auf Fußwegen und Autobahnen. Die Basis steht. Räder gibt es genug. Zahlreiche Wege sind ebenso vorhanden. Nimmt man dann noch die unwesentlich wichtigen Fakten dazu, haben wir einen echten Big Player in Sachen Nachhaltigkeit im Team. Immer noch nicht überzeugt?

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Wir haben 100 Leute gefragt: „Nennen Sie uns ein Problem, dass man mit Fahrradfahren lösen kann!“ Die Top-Antwort: den CO2-Ausstoß. Noch mehr? Noch einfacher? Ich könnte unendlich viel aufzählen. Angefangen von ethischen Ansätzen wie z.B. die entschleunigte Begegnung zwischen den Menschen auf der Straße, um das Problem der Aggression auf den Straßen in den Griff zu bekommen. Das ewige Problem der Krankenkassen – die gefahrene Strecke mit dem Rad ist wesentlich gesünder und stressfreier als mit einem KfZ. Komm, ich mach weiter. Wie steht es um das Problem: „Wir haben keinen Platz für Parkplätze in den Städten“? Das Problem gibt es schlicht mit einem Fahrrad nicht. Von all diesen Dingen gibt es noch eine Menge mehr. Aber ein ganz entscheidender Faktor dabei ist, aus meiner Sicht, folgender: Wenn ich ein E-Auto fahren würde, verbrauche ich im Idealfall keinen Kraftsoff und bin weitestgehend emissionsfrei unterwegs, nur stellt sich mir das Platz, – Stau, – Parkplatzproblem weiterhin. Ganz zu schweigen vom Akku-Thema. Aber das mache ich hier nicht auf. Was ich sagen möchte: Ich will den technischen Fortschritt und die wirtschaftliche Bedeutung der Automobilindustrie in Deutschland und weltweit nicht verteufeln. Aber, wenn ich die Gleichungen aufstelle, bleiben wir mit der Nutzung eines Fahrrads immer auf der Habenseite.

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Löse ich ein Problem beim Auto, bleiben die anderen Faktoren weiterhin bestehen. Beim Fahrrad sind alle Schwierigkeiten immer gleichzeitig und unmittelbar gelöst. Egal, ob ich zum Bäcker fahre, eine ziellose Ortskontrollfahrt durchführe, zur Oma düse oder sportlich sein möchte. Ob den Berg hoch oder runter. Oder sogar am Ende einmal um den Erdball. Ich bin aktiv, spare Geld, halte mich fit, bin geräuscharm unterwegs und benötige wenig Platz. Aber das ist alles eigentlich total egal. Denn mit jeder dieser angesprochenen Fahrten stoße ich etwa 21 Gramm CO2 pro Kilometer Kohlenstoffdioxid aus. Ein PKW produziert zwischen 140 bis 270 Gramm. Ob ich mich deswegen entscheide oder es mir einfach egal ist, weil ich Radfahren schlicht praktisch finde: Es passiert automatisch. Das Fahrrad gewinnt. Es war schon immer so und wird auch so bleiben. Wenn man dann noch überlegt, was ein Radweg so kostet ... Mir wird doch sofort klar, was wir machen müss(t)en.

An alle Klimabkommen dieser Welt – das ist die Lösung. Aber davor hat die Politik, die Planung, die Verwaltung und, wer da sonst noch so rumrührt einfach Angst. Oder? Alle fordern die Verkehrswende und das am besten noch digital! Also wann soll die besagte Wende kommen? Sie ist da. Sie steht auf zwei Rädern. Sollte die Elektromobilität eventuell doch noch die richtigen Hausaufgaben machen, dann muss niemand mehr ein schlechtes Gewissen haben. Aber bisher hat die Automobilindustrie den Wandel komplett verschlafen. Hier wird eine Chance schlicht liegen gelassen. Es wird weiterhin Autos geben müssen, weil viele Menschen davon abhängig sind, kein Radfahren können oder auf ÖPNV setzen. Aber bei diesem Wandel müssen wir unser Verhalten gänzlich auf den Prüfstand stellen. Tun wir das nicht, zahken wir und kommende Generationen einen sehr hohen Preis. Wir erleben es jetzt. Kein ewiges Eis. Steigender Meeresspiegel. Hitzewellen. Dürre. Überschwemmungen. Stürme und schlussendlich die gesellschaftlichen Folgen dieser Katastrophen. Wir rauben dem Planeten die Seele – und die sind wahrlich nicht wir. Dinge, die wir der Erde entzogen und verbraucht haben, bekommen wir nicht zurück. So sehr wir uns das auch wünschen. Wenn der letzte Tropfen Benzin vertankt ist, fährt unser geliebtes Verbrennerauto einfach nicht mehr. Dieser Tag wird kommen. Den will ich aber nicht erleben. Denn ich bin mir sicher, dass wir dann gesellschaftlich weitaus größere Probleme haben, als zum Beispiel eine Maske zu tragen.