Kolumne: Die neue Liebe

Der allererste Tritt in die Pedale. Der erste Schwung. Der zweite Fuß hebt ebenfalls langsam ab und findet seinen Weg auf die blitzenden Pedalen. Ein Lächeln und ein wackeliges Gefühl. Seit ich fünf Jahre alt bin, kann ich, einige Stürze und die Stützräder abgezogen, Fahrrad fahren und doch fühlt es sich diesmal so anders an. Mein Start auf den zwei Reifen ist meinen Eltern zufolge damals wohl recht ängstlich verlaufen. Die Angst hätte sich mit Papas Hilfe allerdings auch ziemlich schnell verflüchtigt. Nach dem ersten Sturz in den Kellerschacht rollten zwar ein paar Tränen, aber auch die waren schnell vergessen. Bis zum heutigen Tag kann ich mich nur an kleinere Stürze erinnern. Der bequemen Fahrweise sei Dank. Doch heute, viele Jahre später, macht mich der neue französische Lenker wieder nervös. Er reagiert viel schneller und lebendiger als ich es gewohnt bin. Die schmaleren – und auch pannensicheren – Reifen lassen mich die Bodenwellen auf dem Asphalt spüren. Die Geschwindigkeit nimmt zu. Das Treten geht fast wie von selbst. Mein konzentrierter Blick gilt dem Asphalt, der Beobachtung meines Körperschwerpunktes unter der neuen Geometrie. Und trotzdem: Schon nach kürzester Zeit entspanne ich mich und lasse mich auf das neue Gefährt ein. Ein neues Fahrrad ist wie ein neues Leben, sage ich leise zu mir und werde den Gedanken einfach nicht los, dass es eigentlich ganz schön verrückt ist, dass wir innerhalb von Sekunden diesen rollenden Reifen und dem Stück Stahl dazwischen auf offener Straße vertrauen. Ein guter Freund drückt es ähnlich aus: „Ja, man hat am Anfang das Gefühl als würde man nur ‚auf’ und nicht ‚im’ Sattel sitzen.” Ich muss lachen.


Ja, als würde man sich selbst dabei von außen beobachten und nicht diejenige sein, die tatsächlich in die Pedale tritt. Doch bald schon vertrauen wir dem Neuling auf der Straße, während LKWs an uns vorbeidonnern, andere Radfahrende unseren Weg kreuzen und Straßenbahnschienen uns gefährlich nahekommen. Es wird schon nichts passieren, kreist es immer wieder durch meinen Kopf. Irgendwie muss ich grinsen, während ich mich in die Hände der finnischen Arbeit begebe. Vertrauen fassen: Wie schnell wir es eigentlich können. Im Gegenteil dazu fällt uns diese Gelassenheit manchmal schwer, wenn es beispielsweise darum geht, neue Freundschaften zu knüpfen, Nähe zuzulassen, Altlasten zu vergessen und offen gegenüber fremden Menschen zu sein. Das neue, glänzende Zweirad dagegen setzt sich über diese Gesetzmäßigkeiten und starren Köpfe einfach hinweg. Es rollt einfach daran vorbei. Nach nur wenigen Kilometern fühlt es sich so an, als wäre die sportlichere Haltung, der dynamische Brooks-Sattel, der Pizza Rack-Vorderradträger und der flinke Fahrstil schon immer so dagewesen. Als wäre ich dieses #Pelago-Bike schon immer gefahren. Es hat exakt drei Fahrten und die richtige Sattelhöhe gebraucht. Unser allererster Weg führte uns vom Fahrradladen #Pistrada in Lindenau durch den Clara-Zetkin-Park bis nach Hause in den Süden. Eine dankbare Strecke im Grünen, die mich nur kurz nervös machte, als ich den fehlenden Rücktritt auf dem Schotterweg im Park bemerkte. Aber wie sagen wir so schön: Wird sich schon klären. Ein wenig beschleicht mich schon jetzt das schlechte Gewissen gegenüber dem treuen Begleiter der vergangenen Jahre. Irgendwie immer belächelt, immer ein wenig liederlich behandelt und viel zu oft gemeckert, dass ständig platte Reifen mich zum Umkehren zwingen. Mittlerweile zieren das alte Rad nicht nur bunte Sticker, sondern auch jede Menge Rostflecken. Die Bremsen quietschen. Der Sattel ist leicht eingerissen. Auch nach oben in den Flur hat es das Rad leider nie geschafft. Dafür fehlte mir immer die Kraft in den Armen. Und trotzdem liebe ich meinen kampferprobten Begleiter und könnte mir die vergangenen Jahre in Leipzig ohne nicht vorstellen. Ja, ich spreche von dir. Genauer gesagt: Einem grünen Hollandrad, das im Bekanntenkreis liebevoll den Namen “LKW” trägt. Aber ich verspreche dir, dass du nicht vergessen und ab und an ausgefahren wirst.

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Es wurde Zeit für etwas Neues. Nun, nach über einem Jahr Zögern, habe ich genau das gefunden, was ich mir wünsche. Das klassische #Pelago “Capri” durfte ich bereits im vergangenen Sommer in Kiel testen und träumte seitdem davon. Ein Jahr lang auf die Erfüllung eines Wunsches zu warten, scheint manchen Menschen vielleicht etwas zu lang, aber ich habe gern darauf gewartet. Erst jetzt war ich mir sicher. Erst jetzt schien die perfekte Zeit für einen neuen Drahtesel gekommen. Das dachten sich wohl noch ein paar Köpfe mehr in diesem Jahr, denn nahezu alle Fahrrad-Werkstätten und -händler wurden nur so überrannt. So erzählt es mir auch Ronald als ich mein neues Fahrrad aus seinem Laden schiebe. Natürlich inklusive Lichtanlage und Fahrradständer. In den ruhigeren Frühlingsmonaten Zuhause sei wohl Einigen die Idee gekommen wieder aufs Rad zu setzen und den geplanten Urlaub auf nächstes Jahr zu verschieben. Warum also in die Ferne schweifen, wenn man es sich auch auf einer langen Radtour in der Region schön machen kann, war der Gedanke dahinter. Ein einfaches "Ronald, ich will endlich ein neues Fahrrad!", ein bisschen Recherche und ein wenig Beratung reichten und schon schob ich mein neues Schmuckstück aus dem Fahrradladen meines Vertrauens. Mittlerweile ist es fast schon Herbst und ich sitze nun wirklich im, nicht mehr nur auf dem Sattel. Die Fahrbahn spüre ich immer noch unter mir, aber die LKWs und Bahnschienen meistere ich jetzt mit links. An den Helm mit dem frechen Schild muss ich mich immer noch etwas gewöhnen, aber ich bin mehr als glücklich mit meinem neuen Rad! Wünschen wir uns eine gute, sichere Fahrt und vor allem Beständigkeit. Das wäre doch ein schöner Start für die zweite Jahreshälfte!